Die fotografisch dokumentierten Besuche von Steinbrüchen, die sich aus der Arbeit mit verschiedenen Gesteinen und dem Erkunden ihrer jeweiligen Eigenschaften notwendig ergaben, lassen einen erweiterten Blick in HAWOLIs ästhetischen Gestaltungsraum zu. Jene im Steinbruch gefundenen Ansichten von Schnitt- und Sprengflächen des Berges offenbaren die dem Gestein innewohnenden Strukturen, legen dessen unsichtbare Verwerfungen offen. Verwerfungen im Bruch sind – geologisch gesehen – kristallisierte Erosionen, somit Filmstills der Erdgeschichte. Und HAWOLI hält drauf auf die fließenden Bewegungslinien, auf die schroffe Ästhetik kargen Steins. Seine Faszination an der gestalteten Schönheit durch die Natur wird hier flankiert von der damit stets zusammenhängenden Zerstörung des Habitats durch den Menschen.

Beide Blickwinkel zusammengenommen zeigen dem Betrachter also eine ambivalente Schönheit dieser kristallinen Wunden auf Büttenpapier. Mit flüssigen, teils eingefärbten lichtempfindlichen Emulsionen wird selbst Marmor wie Fotopapier belichtet und fixiert. Wenn er seine Fotografien des größeren Zusammenhangs so auf dem Bildgeber fixiert, wird der Stein selbst zur Projektionsfläche seiner ihm eigenen Geschichte. Darüber hinaus setzt der stets manuell gestische Eingriff gezielt malerische Impulse und prägt die Fotoarbeiten – quasi als Hommage an den jeweiligen Bildgeber – zu Unikaten. Die auf diese Weise entstandenen fotografischen Momentaufnahmen sind somit nicht nur Dokumente der menschlichen und erdzeitlichen Arbeitsgeschichte, sondern auch vielfältiger Dialog.

Mario Fuhse 2017